Gewerkschaften sollen nach EU-Willen mehr Macht erhalten

Das Europaparlament und der Ministerrat haben sich aktuell auf eine neue EU-Richtlinie geeinigt, welche sich mit den Regeln für Mindestlöhne und die Geltung von Tarifverträgen in den Mitgliedsstaaten beschäftigt. Diese Richtlinie ist nicht unumstritten, da sie die Macht von Gewerkschaften ausweitet. Die Bundesregierung muss nun zusehen, dass eine zunehmende Anzahl Beschäftigte durch Tarifverträge geschützt sind. Bisher war die Einflussnahme der EU auf die länderspezifische Gewerkschaftspolitik eher unbedeutend. Mit dieser Richtlinie ändert sich das. Dänemark und Schweden haben bereits signalisiert, dass sie der Vereinbarung nicht zustimmen wollen. Die beiden Länder kritisieren die weitreichende Einmischung Brüssels in die staatliche Lohnpolitik. Zur Verabschiedung der Richtlinie ist allerdings auch keine Einstimmigkeit bei der kommenden Abstimmung notwendig. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die neue EU-Richtlinie im Herbst in Kraft treten wird. Die Mitgliedstaaten haben dann genau 2 Jahre Zeit, um das neu aufgesetzte Regelwerk in entsprechend nationales Recht umzusetzen. Grundsätzlich schreibt die Richtlinie keine dedizierten Höhen der jeweiligen Mindestlöhne in den Ländern vor – dies läge auch weit außerhalb der Verantwortung Brüssels. Allerdings wird der Rahmen umrissen, in denen die Mindestlöhne in den betreffenden Ländern festgelegt werden müssen.


Die Bundesregierung sieht in den Vorgaben für den Mindestlohn ehrgeizige Ziele


Das derzeit existierende deutsche Mindestlohngesetz entspricht den in Brüssel festgelegten Kriterien bereits und muss deshalb nicht angepasst werden. In Deutschland gibt es mit dem neuen Mindestlohnsatz von 12 Euro je Stunde sowieso schon einen der höchsten Mindestlöhne in ganz Europa – lediglich in Luxemburg gibt es einen noch höheren Satz. Für mehr Streit sorgt die geplante europäische Vorgabe, die Tarifbindung in den Mitgliedsstaaten zu erhöhen. Als Argument wird hier vor allen Dingen die gute Eignung von Tarifverträgen, auch für Niedrigverdiener angemessene Löhne zu erreichen. Die jeweiligen Regierungen sollen dafür sorgen, dass mindestens 80 % der Beschäftigten einer Tarifbindung unterliegen. In den meisten EU-Staaten liegt der Prozentsatz merklich darunter – außer in Frankreich, Belgien, Österreich und den 3 Nordstaaten Schweden, Dänemark und Finnland. Deutschland hat lediglich bei 50 % der Beschäftigten eine Tarifbindung, also muss hier ein Aktionsplan erarbeitet werden, wie die Vorgabe erreicht werden kann. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist der Meinung, dass gerade diese 80 % Vorgabe ein sehr ehrgeiziges Ziel sei, doch Deutschland ist durchaus in der Lage, die angestrebte Marke zu erreichen. So könne beispielsweise durch ein Tariftreuegesetz eine Steigerung erzielt werden – öffentliche Aufträge gehen dann nur noch an Unternehmen, die entsprechenden Tariflohn zahlen.


Arbeitgeberverband gegen EU-Richtlinie


Der deutsche Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger appellierte an die Bundesregierung, die neue Richtlinie nicht zu unterstützen und dagegen zu stimmen. Die Richtlinie der EU würde die Lohnfestsetzung „gefährlich politisieren“, argumentierte er. Es scheint zumindest fraglich, ob europäische Kriterien für die Mindestlohnbestimmung individualstaatliche Interessen in ausreichendem Maße berücksichtigen können – der Koalitionsvertrag der Ampel jedenfalls unterstützt das EU-Gesetz. Zur Info: In Deutschland gibt es auch ohne EU-Richtlinie ab 1. Oktober 2022 zwölf Euro brutto je Stunde Mindestlohn, wovon mehr 6 Millionen Menschen profitieren werden, vor allem im Osten der Republik.

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