Wissenswertes

1. Abschreibungen nach Handelsrecht

Handelsrechtlich sind die Abschreibungen in § 253 Abs. 3 bis 5 HGB geregelt. Nach dem Handelsrecht sind folgende Abschreibungen vorzunehmen:

  • planmäßige Abschreibungen gem. § 253 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HGB,

  • außerplanmäßige Abschreibungen gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB, um die Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen; bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung besteht dazu eine Verpflichtung (» Abnutzbare Wirtschaftsgüter),

  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB bei WG des Umlaufvermögens (» Umlaufvermögen) auf den niedrigeren Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag,

  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 4 Satz 2 HGB bei WG des Umlaufvermögens auf den niedrigeren beizulegenden Wert,

  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 4 Satz 3 HGB bei WG des Umlaufvermögens wegen zukünftiger Wertschwankungen,

  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 5 HGB bei WG des Anlage- und Umlaufvermögens im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung,


2. Abschreibungen nach Steuerrecht

2.1. Überblick

Das Steuerrecht regelt in § 7 EStG:

  • die AfA in gleichen Jahresbeträgen bei beweglichen WG (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG);

  • die AfA von WG, die vor » Einlage in ein Betriebsvermögen im Privatvermögen der Einkunftserzielung dienten. Eine AfA kann nur insoweit vorgenommen werden, als sich nach Berücksichtigung der im Privatvermögen vorgenommenen AfA von den tatsächlichen angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten noch ein Restwert ergibt (§ 7 Abs. 1 Satz 5 EStG).

    Die AfA-Bemessungsgrundlage bemisst sich nach geltender Rechtslage abweichend vom Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, wenn die WG vor der Einlage zur Einkunftserzielung im Privatvermögen genutzt worden sind. Um in diesen Fällen eine doppelte Inanspruchnahme von Abschreibungsvolumen zu vermeiden, ist die weitere Absetzung für Abnutzung nach dem Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG von den um die bisher geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Der BFH hat in den Urteilen vom 18.8.2009 (X R 40/06, BStBl II 2009, 961) und vom 28.10.2009 (VIII R 46/07, BStBl II 2009, 964) entschieden, dass allerdings auch kein Abschreibungsvolumen vernichtet werden soll. Die bisherigen AfA-Beträge sind deshalb vom Einlagewert und nicht von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen. Die gesetzliche Regelung nimmt diesen Aspekt auf. Ferner soll in dem Fall, in dem der Einlagewert die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (= ursprüngliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um die bisher im Privatvermögen tatsächlich in Anspruch genommenen AfABeträge) unterschreitet, nur dieser als weitere AfA-Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Die Regelung ist nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG erstmals für Einlagen anzuwenden, die nach dem 31.12 2010 vorgenommen werden.

    Das BMF nimmt mit Schreiben vom 27.10.2010 (BStBl I 2010, 1204) zur Bemessungsgrundlage für die AfA nach Einlage von zuvor zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzten Wirtschaftsgütern Stellung. Danach ist eine vom Einlagewert abweichende AfA-BMG zu ermitteln:

Einlagewert ≥ historische AK/HK: AfA ab Einlage: Einlagewert ./. AfA = AfA-Bemessungsgrundlage.

Beispiel 1:

Die Anschaffungskosten eines Gebäudes betrugen 700.000 €. Das Gebäude wurde zur Erzielung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt. Die AfA bis zur Einlage betrug 350.000 €; der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage betrug 1 Mio. €. Die Einlage erfolgte nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung.

Lösung 1:

Der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG beträgt 1 Mio. €. Da der Einlagewert von 1 Mio. € höher ist als die historischen Anschaffungskosten von 700.000 € beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage nach der Einlage 650.000 € (1 Mio. € abzgl. in Anspruch genommener AfA von 350.000 € = 650.000 €). Dieser Wert darf abgeschrieben werden. Vom Einlagewert 1 Mio. € bleibt danach ein nicht abschreibbarer Restwert i.H.v. 350.000 €. Dieser Wert entspricht der vor der Einlage in Anspruch genommenen AfA. Mit diesem Restbuchwert bleibt das Gebäude bis zum Abgang aus dem Betriebsvermögen in der Bilanz stehen.

Einlagewert < historische AK/HK aber > fortgeführte AK/HK: AfA ab Einlage: fortgeführte AK/HK = AfA-Bemessungsgrundlage.

Beispiel 2:

Die Anschaffungskosten eines Gebäudes betrugen 700.000 €. Das Gebäude wurde zur Erzielung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt. Die AfA bis zur Einlage betrug 350.000 €; der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage betrug 400.000€. Die Einlage erfolgte nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung.

Lösung 2:

Der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG beträgt 400.000 €. Da der Einlagewert von 400.000 € nicht höher ist als die historischen Anschaffungskosten von 700.000 €, aber höher als die fortgeführten Anschaffungskosten von 350.000 € beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage nach der Einlage 350.000 €. Dieser Wert darf abgeschrieben werden. Vom Einlagewert 400.000 € bleibt danach ein nicht abschreibbarer Restwert i.H.v. 50.000 €. Mit diesem Restbuchwert bleibt das Gebäude bis zum Abgang aus dem Betriebsvermögen in der Bilanz stehen.

Einlagewert < historische AK/HK: AfA ab Einlage: Einlagewert = AfA-Bemessungsgrundlage.

Beispiel 3:

Die Anschaffungskosten eines Gebäudes betrugen 700.000 €. Das Gebäude wurde zur Erzielung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt. Die AfA bis zur Einlage betrug 350.000 €; der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage betrug 100.000€. Die Einlage erfolgte nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung.

Lösung 3:

Der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG beträgt 100.000 €. Da der Einlagewert von 100.000 € nicht höher ist als die fortgeführten Anschaffungskosten von 350.000 €, beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage nach der Einlage 100.000 € (Einlagewert). Dieser Wert darf abgeschrieben werden. Vom Einlagewert 100.000 € bleibt danach kein Restwert mehr. Abgeschrieben wurden insgesamt 350.000 € im Privatbereich und 100.000 € im betrieblichen Bereich, insgesamt somit 450.000 €. Von den gesamten AK des Gebäudes i.H.v. 700.000 € können somit 250.000 € nicht abgeschrieben werden. Es handelt sich dabei um einen steuerrechtlich unbeachtlichen Wertverlust im Privatvermögen.

Einlagewert = fortgeführte AK/HK: AfA ab Einlage: fortgeführte AK/HK nach § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG (s.a. Hilbertz, NWB 2/2011, 108).

  • die AfA nach der Leistung bei beweglichen WG (§ 7 Abs. 1 Satz 6 EStG);

  • die AfA für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG, AfaA). Soweit der Grund hierfür in späteren Wj. entfällt, ist in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG eine entsprechende Zuschreibung vorzunehmen. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung setzen entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden WG (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus. Die außergewöhnliche »Abnutzung« geschieht durch Einwirkungen auf das WG im Zusammenhang mit dessen steuerbarer Nutzung. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Stpfl. ein bereits mit Mängeln behaftetes WG erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende WG in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Der Mangel ist aber in dessen Maßstab mit eingegangen und kann ihn deshalb nicht ändern und in seiner Nutzbarkeit mindern (BFH Urteil vom 14.1.2004, IX R 30/02, BStBl II 2004, 592).

    Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung aus wirtschaftlichen Gründen können als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (» Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) abgezogen werden, wenn sich nach der Kündigung des Mietverhältnisses herausstellt, dass das auf die Bedürfnisse des Mieters ausgerichtete Gebäude nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar ist und auch durch eine (nicht steuerbare) Veräußerung nicht mehr sinnvoll verwendet werden kann (BFH Urteil vom 17.9.2008, IX R 64/07, BFH/NV 2009, 442, LEXinform 0588480).

    Ob Absetzungen für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung einer Mietwohnung aufgrund von Mietrückgängen berücksichtigt werden können, ist zurzeit umstritten. Das FG Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 4.6.2009 (1 K 61/08, EFG 2009, 1453, LEXinform 5008523) die Abzugsmöglichkeit verneint. Unter dem Az. IX R 27/09 ist das Verfahren beim BFH anhängig.

  • die AfA bei immateriellen WG (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG). Zur Behandlung eines entgeltlich erworbenen immateriellen WG »Vertreterrecht« eines Handelsvertreterss. BFH Urteil vom 12.7.2007 (X R 5/05, BStBl II 2007, 959). Danach findet die zwingende typisierende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts keine Anwendung. Die auf das Vertreterrecht vorzunehmende AfA bemisst sich nach der im Schätzungswege für den konkreten Einzelfall zu bestimmenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer;

  • die AfA bei unbeweglichen WG, die keine Gebäude oder Gebäudeteile sind (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG). Es handelt sich dabei um Außenanlagen, Hof- und Platzbefestigungen, Straßenzufahrten und Umzäunungen bei Betriebsgrundstücken, um sonstige » Mietereinbauten und Mieterumbauten (H 7.1 [Unbewegliche WG, die keine Gebäude oder Gebäudeteile sind] EStH);

  • die außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abschreibung (AfaA) in § 7 Abs. 1 Satz 7 und Abs. 4 Satz 3 EStG;

  • die degressive Abschreibung bei beweglichen WG (§ 7 Abs. 2 EStG); die AfaA ist hier nicht zulässig (» Degressive Abschreibung). S.a. den Überblick über die Anwendung des § 7 Abs. 2 EStG unter » Degressive Abschreibung;

  • die lineare AfA für Gebäude und Gebäudeteile (» Gebäudeabschreibung; § 7 Abs. 4 EStG);

  • die degressive AfA für Gebäude und Gebäudeteile (§ 7 Abs. 5 EStG; » Gebäudeabschreibung). Durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl I 2005, 3682) wird § 7 Abs. 5 Nr. 3 Buchst. c EStG ab 1.1.2006 auf Gebäude beschränkt, die auf Grund eines vor dem 1.1.2006 gestellten Bauantrages hergestellt oder auf Grund eines vor dem 1.1.2006 rechtswirksam abgeschlossenen Vertrags angeschafft worden sind;

  • die AfA auf Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche WG sind, sowie auf Eigentumswohnungen und auf im Teileigentum stehende Räume (§ 7 Abs. 5a EStG). Hierbei ist § 7 Abs. 4 und 5 EStG entsprechend anzuwenden. Hierzu rechnen auch insbesondere Ladeneinbauten (R 7.1 Abs. 6 EStR), wie z.B. Schaufensteranlagen;

  • die Absetzung für Substanzverringerung (AfS) bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen Betrieben, die einen Verbrauch der Substanz mit sich bringen (§ 7 Abs. 6 EStG). Hier ist wahlweise die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG oder die AfS zulässig. Die Höhe der AfS bestimmt sich nach dem Verhältnis der im Jahr geförderten Menge zur gesamten geschätzten Abbaumenge (s.a. R 7.5 EStR). Bei Bodenschätzen, die der Stpfl. auf einem ihm gehörenden Grundstück entdeckt hat, sind Absetzungen für Substanzverringerungen nicht zulässig (§ 11d Abs. 2 EStDV).

Zur Anwendung der verschiedenen AfA-Methoden s. R 7.1 Abs. 1 EStR.

2.2. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens

Bei WG des Anlagevermögens (» Abnutzbare Wirtschaftsgüter) kann statt der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abzüglich vorzunehmender Abschreibung auch ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt.

2.3. Abschreibungen im Werbungskostenbereich

Im Werbungskostenbereich sind die gesetzlichen Bestimmungen der Abschreibung ebenfalls zu beachten. In § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG wird beim Abzug der Werbungskosten auf § 7 EStG verwiesen. Abschreibungen sind daher nicht nur bei den Gewinneinkunftsarten, sondern auch bei den Überschusseinkünften vorzunehmen.

2.4. AfA-Berechtigung

Mit Urteil vom 28.3.1995 (IX R 126/89, BStBl II 1997, 121) hat der BFH wie folgt entschieden:

Zur Vornahme von AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG ist grundsätzlich befugt, wer den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG verwirklicht und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes getragen hat. Es ist nicht erforderlich, dass der Stpfl. bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (BFH Urteile vom 23.10.1984, IX R 48/80, BStBl II 1985, 453; vom 24.4.1990, IX R 9/86, BStBl II 1990, 888; vom 15.5.1990, IX R 21/86, BStBl II 1992, 67).

Nach der Entscheidung des Großen Senats vom 30.1.1995 (GrS 4/92, BStBl II 1995, 281) folgt aus dem allen Einkunftsarten zugrunde liegenden Nettoprinzip, dass ein Stpfl. zur eigenen Einkunftserzielung getätigte Aufwendungen auch dann abziehen kann, wenn und soweit er diese Aufwendungen für in fremdem Eigentum stehende WG leistet. Dies gilt auch hinsichtlich noch nicht verbrauchten eigenen Aufwands, wenn der Stpfl. das WG, auf welches er die Aufwendungen getätigt hatte, zwar auf einen Dritten übertragen hatte, er aber dieses WG weiterhin für Zwecke der eigenen Einkunftserzielung nutzen darf.

Die Inanspruchnahme von AfA setzt u.a. voraus, dass der Stpfl. Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein WG selbst aufgewendet hat (BFH Urteil vom 19.12.2007, IX R 50/06, BStBl II 2008, 480). § 7 EStG dient nicht dem Ausgleich eines eingetretenen Wertverzehrs ohne Aufwand, sondern ist nach seinem Wortlaut und Zweck dazu bestimmt, Aufwendungen des Stpfl. in Gestalt von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das jeweilige WG typisierend periodengerecht zu verteilen. Es kommt nicht darauf an, ob der Stpfl. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Zeitpunkt der Vornahme der AfA bereits gezahlt hat. Anschaffungskosten trägt auch, wer den Kaufpreis noch nicht beglichen hat, sondern ganz oder teilweise schuldet. Die zur Inanspruchnahme von AfA notwendige Belastung mit Anschaffungskosten ist in dem Jahr, in dem der Anschaffungsvorgang in vollem Umfang rückgängig gemacht worden ist, nicht mehr gegeben.

2.5. Beginn der AfA

Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des HBeglG 2004 ist für WG, die nach dem 31.12.2003 angeschafft oder hergestellt werden, die AfA zeitanteilig vorzunehmen (§ 52 Abs. 21 EStG).

Der Beginn der Abschreibung ist für jedes Wirtschaftsgut einer Windkraftanlage eigenständig zu prüfen. Die Abschreibung der Windkraftanlage kann zwar schon vor deren Inbetriebnahme beginnen. Im Fall der Anschaffung ist es allerdings erforderlich, dass Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen und dieser damit das wirtschaftliche Eigentum an der Windkraftanlage erlangt. Sind am Bilanzstichtag nicht alle Einzelkriterien erfüllt, bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung von Chancen und Risiken, die aus dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand erwachsen. Danach setzt die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums aber jedenfalls dann den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs voraus, wenn der Verkäufer eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll. Eine Kaufpreisvorauszahlung vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums berechtigt nicht zur Annahme einer vorzeitigen Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut (vgl. BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 57/10).

2.6. Ende der AfA

Die AfA endet, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt sind oder wenn die Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb ausscheiden (R 7.4 Abs. 8 EStR).

Beginn der AfA Ende der AfA
§ 7 Abs. 1 EStG zeitanteilig zeitanteilig
§ 7 Abs. 2 EStG zeitanteilig zeitanteilig
§ 7 Abs. 4 EStG zeitanteilig zeitanteilig
§ 7 Abs. 5 EStG Jahres-AfA zeitanteilig

2.7. Wechsel der AfA-Methode

Nach § 7 Abs. 3 EStG ist bei beweglichen WG des Anlagevermögens der Wechsel von der degressiven AfA (§ 7 Abs. 2 EStG) zur linearen AfA (§ 7 Abs. 1 EStG) möglich. Bei Gebäuden ist ein Wechsel von der degressiven (§ 7 Abs. 5 EStG) zur linearen AfA (§ 7 Abs. 4 EStG) oder umgekehrt nicht möglich (H 7.4 [Wechsel der AfA-Methode bei Gebäuden] EStH). Nach § 7 Abs. 3 EStG ist ein Wechsel von der degressiven zur linearen AfA zulässig (s.o.).

2.8. Keine Fehlerberichtigung in späteren Jahren

Sind Aufwendungen auf ein WG nicht als » Betriebsausgaben bzw. » Werbungskostenabgezogen, sondern zu Unrecht als Herstellungskosten erfasst worden, kann bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 bzw. nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG der Abzug nicht in späteren Veranlagungszeiträumen nachgeholt werden (BFH Urteil vom 21.6.2006, XI R 49/05, BStBl II 2006, 712). § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet ausdrücklich an, dass jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen ist, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Damit wird eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten angeordnet. Eine Fehlerberichtigung in der Weise, dass zu hoch angesetzte Werte zu korrigieren sind, ist nicht vorgesehen.


3. Erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen

3.1. Überblick

Neben den o.g. Abschreibungen sind nach dem EStG noch erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen zulässig. Dabei ist § 7a EStG zu beachten. Erhöhte Abschreibungen treten an die Stelle der normalen AfA, während Sonderabschreibungen neben der normalen AfA vorgenommen werden können. Die degressive AfA ist keine erhöhte AfA.

3.2. Erhöhte Abschreibungen

Erhöhte Absetzungen können vorgenommen werden:

  • für Baumaßnahmen an Gebäuden zur Schaffung neuer Mietwohnungen nach § 7c EStG. § 7c EStG begünstigt Wohnungen, für die der Bauantrag nach dem 2.10.1989 gestellt und die vor dem 1.1.1996 fertig gestellt worden sind (§ 7c Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG);

  • für WG, die dem Umweltschutz dienen nach § 7d EStG. § 7d EStG gilt für WG, die in der Zeit nach dem 31.12.1974 und vor dem 1.1.1987 angeschafft oder hergestellt worden sind;

  • bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen nach § 7h EStG. Für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die nach dem 31.12.2003 begonnen werden (§ 52 Abs. 23a EStG i.d.F. des HBeglG 2004) kann der Stpfl. abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils 9 % (vorher zehn Jahre lang 10 %) und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 % der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB absetzen. Die erhöhten Abschreibungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Stpfl. die Voraussetzungen für das Gebäude und die Maßnahmen durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist. In einem Finanzgerichtsverfahren (FG Hessen Urteil vom 12.12.2011, 8 K 1754/08) haben Hauseigentümer Steuervergünstigungen nach § 7h EStG einklagen wollen, da das Finanzamt diese ablehnten, obwohl die Kläger eine entsprechende Bescheinigung der Stadt vorgelegt hatten. Das Hessische FG verneinte den Abzug der Steuervergünstigungen, da die Kläger die Modernisierungsmaßnahmen nicht an einer bereits bestehenden Wohnung durchgeführt hätten. Vielmehr hätten die Kläger eine neue Wohneinheit errichtet, was die Förderung ausschließe. Auch die Bescheinigung der Stadt enthalte insoweit keine das Finanzamt bindende Entscheidung. Die Bescheinigung nach § 7 Abs. 2 EStG sei zwar ein Grundlagenbescheid. Die verbindlichen Feststellungen der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG seien auf die anhand der Satzung der jeweiligen Gemeinde zu treffenden Feststellungen beschränkt. Die Bindungswirkung erstrecke sich nicht darauf, ob auch Modernisierung und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB oder solche Maßnahmen i.S.d. Satzes 2 durchgeführt worden sind, die zur Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes i.S.d. Satzes 1 dienen. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (BFH, Az. X R 4/12);

  • bei Baudenkmälern (» Baudenkmal) nach § 7i EStG,

  • für Wohnungen mit Sozialbindung nach § 7k EStG. § 7k EStG gilt für Wohnungen mit Sozialbindung, für die u.a. der Bauantrag nach dem 28.2.1989 gestellt und die vor dem 1.1.1996 fertig gestellt worden sind;

  • für bestimmte Baumaßnahmen i.S.d. Bundesbaugesetzes und des Städtebauförderungsgesetzes nach § 82g EStDV,

  • bei Baudenkmälern nach § 82i EStDV.

3.3. Sonderabschreibungen

» Sonderabschreibungen können vorgenommen werden:

  • Für abnutzbare WG des Anlagevermögens privater Krankenhäuser nach § 7f EStG. Begünstigt sind WG, die vor dem 1.1.1996 bestellt oder die der Stpfl. vor dem 1.1.1996 herzustellen begonnen hat.

  • zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe nach § 7g EStG (» Ansparrücklage, » Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG). Im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 (Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912) werden die bisherigen Regelungen zu den Ansparabschreibungen umgestaltet und vereinfacht. Im Rahmen dieser Umgestaltung wird auf die Existenzgründerrücklage verzichtet. Stpfl. können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines WG einen den Gewinn mindernden Investitionsabzugsbetrag abziehen. Die Berücksichtigung erfolgt außerbilanziell. Die bisherige buchungsmäßige Bildung von Rücklagen entfällt. Der Investitionsabzugsbetrag kann erstmals für Wj. beansprucht werden, die nach Verkündung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 am 17.8.2007 enden (§ 52 Abs. 23 Satz 1 EStG). Bei Stpfl., bei denen das Wj. dem Kj. entspricht, ist der Investitionsabzugsbetrag erstmals zum 31.12.2007 anzuwenden,

  • für bestimmte WG des Anlagevermögens im Kohle- und Erzbergbau nach § 81 EStDV,

  • für Handelsschiffe, für Schiffe, die der Seefischerei dienen, und für Luftfahrzeuge nach § 82f EStDV.

    Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG sind Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen über Sonderabschreibungen bei Handelsschiffen, die aufgrund eines vor dem 25.4.1996 abgeschlossenen Schiffbauvertrags hergestellt, in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen und vor dem 1.1.1999 vom Stpfl. angeschafft oder hergestellt worden sind, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln. Im Fall der Anschaffung eines Handelsschiffes ist weitere Voraussetzung, dass das Schiff vor dem 1.1.1996 in ungebrauchtem Zustand vom Hersteller oder nach dem 31.12.1995 aufgrund eines vor dem 25.4.1996 abgeschlossenen Kaufvertrags bis zum Ablauf des vierten auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres erworben worden ist. Bei Stpfl., die in eine Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG nach Abschluss des Schiffbauvertrags (Unterzeichnung des Hauptvertrags) eingetreten sind, dürfen Sonderabschreibungen nur zugelassen werden, wenn sie der Gesellschaft vor dem 1.1.1999 beitreten. Die Sonderabschreibungen können im Wj. der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wj. bis zu insgesamt 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Sie können bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten zugelassen werden. Die Sonderabschreibungen sind nur unter der Bedingung zuzulassen, dass die Handelsschiffe innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert werden; für Anteile an einem Handelsschiff gilt dies entsprechend. Die Sätze 1 bis 6 gelten für Schiffe, die der Seefischerei dienen, entsprechend. Für Luftfahrzeuge, die vom Stpfl. hergestellt oder in ungebrauchtem Zustand vom Hersteller erworben worden sind und die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen im internationalen Luftverkehr oder zur Verwendung zu sonstigen gewerblichen Zwecken im Ausland bestimmt sind, gelten die Sätze 1 bis 4 und 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der Eintragung in ein inländisches Seeschiffsregister die Eintragung in die deutsche Luftfahrzeugrolle, an die Stelle des Höchstsatzes von 40 % ein Höchstsatz von 30 % und bei der Vorschrift des Satzes 6 an die Stelle des Zeitraums von acht Jahren ein Zeitraum von sechs Jahren treten.

Für zu Unrecht als Herstellungskosten erfasste Vorsteuer kann keine »Sonderabschreibung« vorgenommen werden (BFH Urteil vom 21.6.2006, XI R 49/05, BStBl II 2006, 712).

Nach § 7a Abs. 4 EStG sind bei beweglichen WG, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Bei Gebäuden ist die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG anzuwenden. Grundsätzlich kann eine Sonderabschreibung nicht zusätzlich zu einer degressiven AfA i.S.d. § 7 Abs. 2 EStG berücksichtigt werden. Das bedeutet aber nicht, dass eine Sonderabschreibung immer dann ausscheidet, wenn das betreffende WG in früheren Jahren nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 EStG abgeschrieben worden ist. Eine solche Auslegung ist weder dem Wortlaut des § 7a Abs. 4 EStG zu entnehmen noch aus dessen Zweck oder Entstehungsgeschichte abzuleiten (BFH-Urteil vom 14.3.2006, I R 83/05, BStBl II 2006, 799). § 7 Abs. 3 EStG lässt den Übergang von der degressiven zur linearen AfA ausdrücklich zu. Die Entscheidung darüber obliegt allein dem Stpfl. Im Anschluss an einen Übergang von der degressiven zur linearen AfA ist die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen für das betreffende WG durch § 7a Abs. 4 EStG nicht ausgeschlossen. Der Normtext des § 7a Abs. 4 EStG bezieht sich nur auf die kumulative Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und degressiver AfA in ein und demselben Veranlagungszeitraum.

Beispiel 4:

Der Stpfl. hat im Kj. 10 für die geplante Anschaffung einer Maschine mit einer Nutzungsdauer von 5 Jahren einen Investitionsabzugsbetrag von 40.000 € (40 % von 100.000 €) nach § 7g Abs. 1 EStG geltend gemacht. Im Mai 11 wird die Maschine angeschafft.

Lösung 4:

Nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG ist im Jahr der Anschaffung (Kj. 11) des begünstigten WG der für dieses WG in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag i.H.v. 40 % der Anschaffungskosten gewinnerhöhend (außerbilanziell) hinzuzurechnen. Gleichzeitig können die Anschaffungskosten der Maschine von 100.000 € im Jahr der Anschaffung um bis zu 40 %, maximal i.H.d. außerbilanziell hinzugerechneten Investitionsabzugsbetrages gewinnmindernd herabgesetzt werden (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG). Die AfA-Bemessungsgrundlage verringert sich dadurch von 100.000 € auf 60.000 €.

Bei einer Anschaffung im Kj. 11 ist die degressive AfA nicht mehr möglich. Bei einer Nutzungsdauer von 5 Jahren beträgt die lineare AfA 20 % der AfA-Bemessungsgrundlage von 60.000 €; dies ergibt einen Jahresbetrag von 12.000 €. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG ist die AfA zeitanteilig vorzunehmen. Bei einer Anschaffung im Mai beträgt die AfA 8/12 von 12.000 € = 8.000 €. Durch die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages sinkt das Abschreibungsvolumen des angeschafften WG.

Nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG kann bei neuen oder gebrauchten beweglichen WG des Anlagevermögens unter bestimmten Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und den vier darauf folgenden Jahren zusätzlich zur normalen Abschreibung eine Sonderabschreibung i.H.v. insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten geltend gemacht werden. Der Stpfl. kann wählen, auf welches Jahr oder welche Jahre er die Sonderabschreibung verteilt. Er kann die Sonderabschreibung bereits im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe (nicht zeitanteilig) vornehmen. Die AfA-Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung beträgt im Beispielsfall 60.000 €. Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG beträgt im Kj. 11 20 % von 60.000 € = 12.000 €.

Die Anschaffungskosten von 100.000 € werden im Jahr der Anschaffung im Kj. 11 um insgesamt 60.000 € gemindert. Zu beachten ist aber, dass der Investitionsabzugsbetrag von 40.000 € außerhalb der Bilanz gewinnerhöhend hinzugerechnet wird.


4. Abschreibungen beim unentgeltlichen Erwerb

Zur Abschreibung beim unentgeltlichen Erwerb s. unter den Stichwörtern » Unentgeltlicher Erwerb und » Nießbrauch.


5. Nachholung der Abschreibung

Bisher unterlassene Abschreibungen können jedenfalls dann nicht nachgeholt werden, wenn ein WG des notwendigen Betriebsvermögens erstmals bilanziert wird (BFH Urteil vom 24.10.2001, X R 153/97, BStBl II 2002, 75; » Betriebsvermögen).

Der BFH hat mit Urteil vom 22.6.2010 (VIII R 3/08, BStBl II 2010, 1035) entschieden, dass die gleichmäßig von der Bemessungsgrundlage eines betrieblichen WG vorzunehmende normale AfA nicht nachgeholt werden kann, wenn sie deshalb versäumt wurde, weil das WG fälschlich nicht als betrieblich erfasst war.

Im konkreten Fall ging es um ein Patent, das in einen Verwertungsbetrieb eingelegt worden war. Einlage, Einlagewert und Restnutzungsdauer des Patents waren Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung, die erst Jahre nach der Einlage zustande kam. In der Zwischenzeit hatte es der Kläger versäumt, AfA auf den Einlagewert vorzunehmen. Daraus ergab sich ein Streit über die Höhe des noch absetzungsfähigen Restbuchwertes.

Das FG gab der Klage statt und berücksichtigte den vollen Einlagewert zum Teil als AfA in einem verfahrensrechtlich noch offenen Veranlagungszeitraum, zum anderen Teil gewinnmindernd bei der Ermittlung des Aufgabegewinns bei der Veräußerung des Patents. Die Revision des FA hatte Erfolg. Wegen des Prinzips der Gesamtgewinngleichheit konnte der Kläger, der seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, keine höheren Beträge absetzen als bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Im ersten verfahrensrechtlich noch zugänglichen Veranlagungszeitraum durfte deshalb nur der Restbuchwert zugrunde gelegt werden, mit dem ein bilanzierender Stpfl. das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte WG hätte einbuchen müssen, d.h. mit dem Wert, der bei von Anfang an richtiger Bilanzierung anzusetzen gewesen wäre.


6. Falsche AfA-Beträge

Wurde in den Wj. der Zugehörigkeit des WG zum Betriebsvermögen die AfA zu niedrig angesetzt, ist bei einer Veräußerung (oder Entnahme) die bislang tatsächlich vorgenommene AfA von den (richtigen) Anschaffungskosten abzuziehen; der Veräußerungsgewinn wird entsprechend gemindert (BFH Urteil vom 14.11.2007, XI R 37/06, BFH/NV 2008, 356, LEXinform 0587890mit weiteren Nachweisen und » Entnahme).

Beispiel 5:

Die Anschaffungskosten für ein WG betragen 110.000 € im Kj. 01, die AfA beträgt jährlich 3 %. Der Stpfl. hat aber lediglich 100.000 € als AfA-Bemessungsgrundlage berücksichtigt, während er 10.000 € irrtümlich sofort als Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwendungen) abgezogen hatte. Im Kj. 05 wird das WG am 31.12.05 für 95.000 € veräußert (entnommen).

Lösung 5:

Steuerpflichtiger Finanzamt komplett richtig
Anschaffungskosten 100.000 € 110.000 € 110.000 €
Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwand) 10.000 € 0 € 0 €
AfA Kj. 01 bis 05: 5 × 3 % = 15 % 15.000 € 15.000 € 16.500 €
Restwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG 85.000 € 95.000 € 93.500 €
Veräußerungserlös 95.000 € 95.000 € 95.000 €
Veräußerungsgewinn 10.000 € 0 € 1.500 €
Gebuchte Betriebsausgaben insgesamt ./. 25.000 € ./. 15.000 € ./. 16.500 €
Gewinnauswirkung insgesamt ./. 15.000 € ./. 15.000 € ./. 15.000 €

Für den Fall, dass tatsächlich zu hohe AfA in Anspruch genommen wurden, kann nichts anderes gelten. Daraus folgt, dass der Restwert durch Berücksichtigung der tatsächlichen, nämlich der zu hohen AfA niedriger ist als bei zutreffender AfA.

Beispiel 6:

Die Anschaffungskosten für ein WG betragen 100.000 € im Kj. 01, die AfA beträgt jährlich 3 %. Der Stpfl. hat aber tatsächlich 110.000 € als AfA-Bemessungsgrundlage berücksichtigt, da er 10.000 € irrtümlich nicht sofort als Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwendungen) abgezogen hatte. Im Kj. 05 wird das WG am 31.12.05 für 95.000 € veräußert (entnommen).

Lösung 6:

Steuerpflichtiger Finanzamt komplett richtig
Anschaffungskosten 110.000 € 100.000 € 100.000 €
Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwand) 0 € 0 € 10.000 €
AfA Kj. 01 bis 05: 5 × 3 % = 15 % 16.500 € 16.500 € 15.000 €
Restwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG 93.500 € 83.500 € 85.000 €
Veräußerungserlös 95.000 € 95.000 € 95.000 €
Veräußerungsgewinn 1.500 € 11.500 € 10.000 €
Gebuchte Betriebsausgaben insgesamt ./. 16.500 € ./. 16.500 € ./. 25.000 €
Gewinnauswirkung insgesamt ./. 15.000 € ./. 5.000 € ./. 15.000 €

Der im Kj. 01 unterlassene Betriebsausgabenabzug kann nicht im Kj. 05 nachgeholt werden. S. dazu die Ausführungen unter » Betriebsausgaben.

Der Abzug der tatsächlich in Anspruch genommenen AfA führt nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Bestandskraft von Steuerbescheiden. Die Gewinnermittlungen und die Steuerbescheide der Vorjahre bleiben unangetastet.

Mit Urteil vom 8.4.2008 (VIII R 64/06, BFH/NV 2008, 1660, LEXinform 0587775) hat der BFH erneut zur Abschreibungspflicht und zum Nachholungsverbot unterlassener AfA entscheiden. Bei betrieblich genutzten Pkw besteht die Pflicht zur Vornahme der linearen Normal-AfA entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von regelmäßig acht Jahren bis auf einen Erinnerungswert von 1 €. Der am Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer am Markt gegebenenfalls noch realisierbare Wiederverkaufswert mindert nicht die Bemessungsgrundlage für die AfA; er ist auch nicht als »Anhaltewert« oder »Restwert« von der AfA auszunehmen. Die Rechtsprechung zum Schrottwert von Schiffen oder zum Schlachtwert von Milchkühen betrifft einen beträchtlichen verbleibenden Restwert nach dem Ende der eigentlichen betriebsgemäßen Nutzbarkeit des jeweiligen WG und kann deshalb nicht entsprechend auf weiterhin verkehrstaugliche Pkw angewendet werden. Die willentlich und willkürlich unterlassene Normal-AfA kann grundsätzlich nicht in späteren Gewinnermittlungszeiträumen nachgeholt werden.

Beispiel 7:

Die Anschaffungskosten für einen Pkw betragen 100.000 € im Kj. 01, die AfA beträgt jährlich 12,5 %, bei einer Nutzungsdauer von acht Jahren. Der Stpfl. hat tatsächlich in den acht Jahren lediglich 90.000 € als AfA-Betrag berücksichtigt, da er 10.000 € als Restwert bis zur Entnahme des Pkw fortführt. Im Kj. 09 – nach Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer – wird der Pkw entnommen.

Lösung 7:

Steuerpflichtiger Finanzamt
Anschaffungskosten 100.000 € 100.000 €
AfA Kj. 01 bis 08: 90.000 € 99.999 €
Restwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG 10.000 € 1 €
Entnahmewert im Kj. 09 10.000 € 10.000 €
Veräußerungsgewinn im Kj. 09 0 € 9.999 €
Gebuchte Betriebsausgaben insgesamt ./. 90.000 € ./. 99.999 €
Gewinnauswirkung insgesamt ./. 90.000 € ./. 90.000 €

7. AfA-Tabelle

Das BMF-Schreiben vom 15.12.2000 (BStBl I 2000, 1533) enthält die AfA-Tabelle für alle Anlagegüter, die nach dem 31.12.2000 angeschafft oder hergestellt worden sind. Beachte dazu auch das BMF-Schreiben vom 6.12.2001 (BStBl I 2001, 860). Wegen der aktuellen Anwendung von AfA-Tabellen s.a. BMF vom 9.4.2013, BStBl I 2013, 522. Die AfA-Tabellen dienen als Hilfsmittel zur Schätzung der Nutzungsdauer. Sie berücksichtigen sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Diese Abschreibungstabellen sind zwar weder handels- noch steuerrechtlich verbindlich, da es auf die betriebsindividuellen Verhältnisse ankommt. Die AfA-Tabellen sind jedoch von den Finanzgerichten unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und im Hinblick auf das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur dann nicht zu beachten, wenn ihre Anwendung im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (BFH Urteil vom 14.4.2011, IV R 46/09, BStBl II 2011, 696).

Die OFD Münster nimmt mit einem Schreiben vom 15.11.2011 zur Anwendung der AfA-Tabellen ausführlich wie folgt Stellung: Der BFH ermöglicht in ständiger Rechtsprechung eine Abweichung von den in den AfA-Tabellen angegebenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern, soweit objektiv nachprüfbare Gründe für eine kürzere oder längere als die amtlich vorgesehene Nutzungsdauer sprechen (vgl. BFH Urteile vom 8.11.1996, VI R 29/96, BFH/NV 1997, 288 – und vom 5.2.2001, BFH/NV 2001, 1041). Dabei habe derjenige, der eine abweichende Nutzungsdauer geltend macht, die hierfür sprechenden Gründe substantiiert vorzubringen. Einen Ansatz der nach den AfA-Tabellen maßgebenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer hat der BFH darüber hinaus abgelehnt, wenn deren Berücksichtigung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt (vgl. BFH Urteile vom 26.7.1991, VI R 82/89, BStBl II 1992, 1000 und vom 11.12.1992, VI R 12/92, BFH/NV 1993, 362). Auch die Urteile des FG Köln vom 27.11.2007 und des FG Münster vom 13.3.2009 (14 K 3638/05 F) enthalten – jeweils im allgemeinen Teil der Urteilsbegründung – entsprechende Einschränkungen (vgl. Rn. 42 des Urteils des FG Köln; Rn. 32 des Urteils des FG Münster).


8. Literaturhinweise

Eschenbach, Der Wertverzehr langfristig und zwangsläufig genutzter Wirtschaftsgüter als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG – Plädoyer für eine analoge Anwendung der Abschreibungsvorschriften in § 7 EStG als Korrektiv zur Gegenwertslehre des BFH, DStZ 2008, 133; Siegle, Abschreibungsmöglichkeiten beim beweglichen Anlagevermögen – Investitionsabzugsbetrag und geänderte Spielregeln bei geringwertigen Wirtschaftsgütern, NWB 23/2009, 1762 und NWB 24/2009, 1854; Hilbertz, Bemessungsgrundlage für AfA nach Einlage, NWB 2011, 108; Schoor, Abschreibungen, NWB 2011, 1187.